Klimaforschung auf die Probe gestellt: Räumen Wissenschafter Fehler ein, stellen sie intellektuelle Redlichkeit über politische Wirkung
Potsdamer Forscher prognostizierten, die Wirtschaft werde durch den Klimawandel erhebliche Einbussen erleiden. Starke Kritik veranlasst sie jetzt zu einem Rückzieher. Das ist ein positives Zeichen.

Dürren werden im Zuge des Klimawandels häufiger und intensiver. Das Bild zeigt ein ausgetrocknetes Reservoir in Jemen.
Yahya Arhab / EPA
Kaum eine Klimastudie erregte 2024 mehr Aufmerksamkeit als diese: Wegen des Klimawandels werde die Wirtschaftsleistung bis 2050 um ein Fünftel kleiner ausfallen als ohne Klimawandel, behaupteten drei deutsche Forscher in einem Fachartikel.
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Doch schon bald hagelte es harsche Kritik. Zum Glück haben die Autoren ihre Studie nun zurückgezogen. Fachkollegen hatten ihnen fehlerhafte Annahmen und Methoden nachgewiesen.
Die drei Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hatten ihre Arbeit im April 2024 im Wissenschaftsmagazin «Nature» veröffentlicht. Der Widerruf der Studie ist ein gutes Zeichen. Er beweist, dass die Selbstkorrektur in der Klimaforschung funktioniert – selbst wenn dieser Prozess manchmal jahrelang dauert.
Sogar die Weltbank zitierte die umstrittene Studie
Wie gross die Schäden des Klimawandels sind, interessiert viele, nicht nur Politiker. Halten Hitzewellen und Dürren in Zukunft wochenlang an, drohen erhebliche wirtschaftliche Einbussen. Auch ökonomische Entscheidungsträger berufen sich darum auf entsprechende Studien.
Die Arbeit aus Potsdam wurde sogar von der Weltbank und der OECD zitiert. Ausserdem änderte ein internationaler Verbund von Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden aufgrund der Studie die Methode, wie er die Schäden des Klimawandels berechnet. Anhand solcher Berechnungen werden zum Beispiel Banken hinsichtlich ihrer Klimarisiken bewertet.
Werden Studien zu den Schäden des Klimawandels nicht sorgfältig gemacht, kann sich das langfristig also erheblich bis in die Finanzwelt hinein auswirken.
Fehlerhafte Daten und unterschätzte Ungewissheit
Das Neue an der Studie von Maximilian Kotz und seinen beiden Kollegen war, dass sie erstmals Daten auf regionaler Ebene in die Analyse von künftigen Schäden des Klimawandels eingespeist hatten. So detailliert hatte das Problem zuvor niemand untersucht.
Allerdings kamen die Autoren auf extrem hohe Schadenssummen. Sie liegen am oberen Rand dessen, was innerhalb der Forschung diskutiert wird. Bis 2100 sei bei sehr hohen Treibhausgasemissionen mit einer Reduktion der Wirtschaftsleistung um 60 Prozent im Vergleich mit einer Welt ohne Klimawandel zu rechnen, schrieben sie zum Beispiel.
Später stellte sich aber heraus, dass die Datenbasis nicht solide war. Die fehlerhaften Zahlen eines einzigen Landes – Usbekistan nämlich – liessen die künftigen Schäden des Klimawandels viel grösser erscheinen, als es plausibel ist. Ausserdem unterschätzten die Autoren die Unsicherheit ihrer Methode. Wissenschafter, die nicht an der Studie beteiligt waren, haben diese beiden Kritikpunkte in zwei Beiträgen im Magazin «Nature» im August dieses Jahres erläutert.
Zunächst hatten die Potsdamer Forscher auf die Kritik reagiert, indem sie ihre Studie überarbeiteten, wodurch sie fast zu identischen Resultaten kamen. Doch die neue Version stiess bei «Nature» nicht auf Gegenliebe – für eine reine Korrektur seien die Änderungen zu umfangreich. Darum entschlossen sich die Forscher jetzt in Absprache mit der Zeitschrift zum Widerruf. Die Autoren wollen ihre Studie nun in der überarbeiteten Fassung neu einreichen.
Ein Signal an die schweigende Mehrheit der Wissenschafter
Von der Publikation der Studie bis zu ihrem Widerruf hat es mehr als eineinhalb Jahre gedauert. Es wäre besser gewesen, die Zeitschrift oder die Autoren hätten schneller auf die Kritik reagiert. Doch grundsätzlich ist die Rücknahme begrüssenswert. Sie beweist, dass die Klimaforschung sich selbst korrigiert.
Einzelne Forscher und Institute in der Klimawissenschaft sind in der Vergangenheit immer wieder durch Übertreibungen aufgefallen, die auf eine weltanschauliche Tendenz hindeuten. Zu diesen Instituten zählt auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Medien, die die Angst vor dem Klimawandel bewirtschaften, posaunen solche Übertreibungen besonders gerne in die Welt hinaus.
Auf Dauer sind die Mechanismen der wissenschaftlichen Selbstkorrektur aber stärker, wie die Episode um die «Nature»-Studie zu den Klimaschäden zeigt. Es handelt sich auch um ein ermutigendes Signal an die oft schweigende Mehrheit unter den Wissenschaftern – der ist die intellektuelle Redlichkeit nämlich wichtiger als der politische Effekt.
Johann Sajdowski
Kipppunkte, Klimakatastrophe, planetare Grenzen – wie kein anderes Wissenschaftsinstitut ist das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung für schrille Warnungen bekannt. Dahinter stecken ein Geschäftsmodell und politische Ziele: Das einflussreiche Klima-Institut will die Denke des Wirtschaftswachstums überwinden.

